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Sprache im Wandel: Veränderungen in der Deutschen Gegenwartssprache

Our language signals not only about the place of our origin and our national identity, it also provides utmost meaningfulness to our individual or ethnic rights. For ages people are giving evaluation and assessment of one another making judgments based on the language or territorial dialect which are used; even personal idiolects as well as word choice play their important role. Consciously or subconsciously speakers point out the meaningfulness of their mother tongue on the global scale to one another, so that this language verdict has shaped the world history.

Wenn ein Thema wie das heutige „Sprache im Wandel: Veränderungen in der deutschen Gegenwartssprache“ in den Rahmen der Grundakademie „Macht durch Sprache“ eingefügt wurde, so verdient der Seminarleiter ein Wort des Dankes: Es ist heute für wahr angebracht, sich mit der, sagen wir, materiellen Basis der Kommunikation zu befassen und zu fragen, inwieweit die Sprache sich gewandelt und verändert hat.

Die deutsche Sprache ist vor allem eine europäische Sprache; ihre Zukunft entscheidet sich in Europa, denn hier hat sie ihren Schwerpunkt. Sie wurde nicht durch Kolonialismus in der Welt verbreitet. Doch übertrifft sie in Europa nach der Zahl der Muttersprachler (95 Mio. in Europa, 120 Mio. erdeweit) und der Zahl der Staaten (7), in denen sie Amtssprache ist, alle anderen Sprachen außer Russisch.

Wenn wir über die deutsche Sprache im europäischen Kontext reden, fällt uns der mittlerweile auf der ganzen Welt gebräuchliche Ausdruck Globalisierung ein. Wir denken dabei in der Regel an Prozesse ökonomischer und ökologischer Verflechtungen, wir denken an die Öffnung von Märkten und Grenzen, an die wachsende Integration von Nationalstaaten durch den wirtschaftlichen, technischen und wissenschaftlichen Austausch, wir denken an politische Konfigurationen, an den technologischen Fortschritt und die kulturellen Einflüsse, aber auch an die globale Verbreitung von Ideen und Überzeugungen. Wir denken in der Regel jedoch nicht daran, dass in den letzten zwei Jahrtausenden die Bibel einen nachhaltigen Einfluss auf Kultur, Sprache und Literatur ausgeübt hat. Wir denken nicht daran, dass die Bibel der Literatur Stoffe, Motive, Themen und Figuren liefert, dass Kultur die Summe aus Sprache und Religion ist, und dass das Deutsche an deutsch ist gleich germanisch plus christlich gemahnt.

Unsere Sprache signalisiert nicht nur, woher wir kommen, wofür wir einstehen und zu wem wir gehören, sondern verleiht auch unseren individuellen oder ethnischen Rechten Geltung. In der ganzen Geschichte beurteilten Menschen immer andere Menschen nach ihrer Sprache, ihrem regionalen Dialekt und sogar nach ihrer persönlichen Wortwahl. Die Menschen weisen einander nach Maßgabe ihrer Sprache, bewusst oder unbewusst, einen Platz in der Welt zu. Dieses sprachliche Verdikt formte die gesamte menschliche Geschichte.

Die Sprache verändert sich im Laufe der Zeit. Schon wer die Sprache verschiedener Generationen vergleicht, wird wahrscheinlich feststellen, dass Unterschiede bestehen, nicht nur was den Wortschatz, sondern auch was das System betrifft. Was gestern gegen die Norm verstieß, wird heute unter Umständen akzeptiert. Ist so etwas aber zufällig?

Natürlich ist es kein Zufall; der Mensch selbst ist ein geschichtliches Wesen, das sich in der Zeit und mit ihr permanent verändert; „tempora mutantur et nos mutamur in illis.“ Dies zugestanden, stellt sich heute die Frage, ob nicht eine Veränderung eingesetzt hat, die das Deutsche überfremdet? Es ist bereits die Rede von der „Englischen Sprachkrankheit“ oder der „McDonaldisierung“ des Deutschen oder vom Denglisch oder Engleutsch.

Unser Artikel geht der Frage nach dem Wandel der Sprache in drei Perspektiven nach:

  1. dem inneren (nicht durch äußeren Einfluss bedingten) Wandel der Sprache;
  2. dem durch äußere Einflüsse bedingten Veränderungen der Sprache (Anglo-Amerikanisierung);
  3. der Berechtigung der Forderung nach Überwachung der Reinheit der Sprache.

Unsere nun folgende Darstellung ist ein Versuch, ein Bild von der gegenwärtigen Sprache der Deutschen zu geben.

Seit Jahrzehnten ist in der Öffentlichkeit nicht mehr so viel über Sprache gesprochen worden wie in der letzten Zeit. Die Rechtschreibreform hat ungeahnte Diskussionen ausgelöst und die Heftigkeit, mit der sie geführt wurden, überrascht. Was da als Neue deutsche Rechtschreibung bezeichnet, ja verklärt wird, verdient diese Bezeichnung in keiner Weise. Sie ist eine nicht überbietbare Ansammlung von inhaltlichen Absurditäten. Es gibt so viele Unstimmigkeiten und Ungereimtheiten im Detail, dass diese Details die Reform in Misskredit bringen. Durch die neue Schreibweise werden Volksetymologien geboren, die „das Volk“ selbst noch keineswegs festgeschrieben hat. Dass der „Mesner“, obwohl er als „Aufseher des Gotteshauses“ von „mansionarius“ abgeleitet ist, mit der „Messe“ zu tun haben soll und nun als

„Messner“ geschrieben werde, ist nicht einzusehen. Das „Quentchen“, jetzt mit „ä“ „Quäntchen“ geschrieben, ist „ein Fünftel“, von lateinisch

„quintus“ und nicht „quantus“ abgeleitet. Der

Tolpatsch“, der jetzt mit zwei „l“ geschrieben wird, patscht nicht wie toll, sondern kommt von ungarisch „talpas“ = „breitfüßig“, und „verbleuen“, jetzt mit „äu“ statt „eu“, stammt nicht von

„blau“, sondern von mhd. bliuwen“ = schlagen (das Bleuel); aus „plazieren“ ist „platzieren“ (zu Platz) geworden; und wer sich schließlich

belemmert“ fühlt (neu: „belämmert“), fühlt sich nicht wie ein Lamm, sondern „gelähmt“ (von

belemen“ = „lähmen“) [1, 11].

Durch neue Regeln für Trennung und Zusammensetzung entstehen Rätselworte. Auch soll es den nach unterschiedlichem Wortakzent kenntlichen Unterschied wie beispielsweise zwischen

„schwerfallen“ und „schwer fallen“ oder „frischgebacken“ und „frisch gebacken“ nicht mehr geben, und „liebhaben“ verschwindet vielleicht als eigenständiges Lemma aus dem Lexikon der deutschen Sprache. Zusammen nähen (gemeinsam nähen) ist nicht gleich zusammennähen (2 Stücke verbinden). Der Duden empfiehlt unter dem Stichwort

„du“ bei „per Du“ Du großzuschreiben, aber unter dem Stichwort „per“ wird die Kleinschreibung empfohlen: „per du“. Was nicht per du geht, geht perdu!

Der Zustand der Rechtschreibreform ist durch den Duden endgültig zerrüttet: Man sehe sich doch einmal eine Doppelseite wie 728/729 an! 26-mal gelb und 39-mal rot, dazu zwei blaue Infokästen. Bunter war die Rechtschreibung noch nie, aber eben darum ist es gar keine Rechtschreibung mehr, die diesen Namen verdient [1, 734; 7, 175; 11,

966].

Nun hat das erlesene 39-köpfige Gremium aus Experten die deutsche Rechtschreibung bearbeitet und entschieden, dass künftig wieder mehr zusammen geschrieben werden soll. Als wichtiges Kriterium kommt die Wortbetonung ins Spiel. Auch soll die Abtrennung von Einzellvokalen am Wortanfang und Wortende ausgeschlossen werden: E-sel, A-bend; auch sollen sinnentstellende Trennungen vermieden werden: Ur-instinkt und nicht Urinstinkt, oder An-alphabet und nicht Anal-phabet.

Die Trennung von „st“ in s und t ist in Ordnung und längst überfällig. Wir haben noch gelernt: Trenne nie „st“, das tut ihm weh! und sind aber zwei Phoneme, wie aus der Minimalpaaranalyse WEST und WELhervorgeht. Die Zeichensetzung, bisher beliebig, soll wieder das eindeutige Textverständnis sichern. Freigestellt ist die Kommasetzung beim bloßen Infinitiv; obligatorisch soll das Komma bei Infinitivgruppen sein, die mit um, ohne, statt, anstatt, außer oder als eingeleitet sind; z. B. Er wurde, um es vorweg zu sagen, aufs Höchste gelobt.

Sprache lässt sich nicht steuern. Sprache ist ein Produkt der unsichtbaren Hand. Ein Mensch spricht durchschnittlich 2000-5000 Wörter pro Tag

– Frauen mehr, sie reden im Durchschnitt 20 000 Wörter/Tag, Männer weniger, ~ 7000/Tag. Der Grund ist nach Erkenntnissen der neurologischen Forschung, dass das weibliche Gehirn 11% mehr Nervenzellen hat als das männliche – besonders in jenen Arealen, die für Gefühle und Erinnerungen zuständig sind. Frauen haben quasi eine achtspurige Autobahn, um Gefühle zu entwickeln, Männer nur eine Landstraße.

Sprache ist die Summe all dieser Wörter, der gesprochenen und der geschriebenen. Veränderungen in der Sprache entstehen wie ein Trampelpfad auf einer Wiese – ganz unbedacht wählt jemand einen neuen, oft kürzeren Weg; nach und nach folgen die anderen dieser Abkürzung, bis schließlich der neue den älteren Pfad ersetzt.

Jede Sprache wandelt sich, wenn auch zum Teil unbemerkt von den Sprechern, ununterbrochen, Sprachen werden nicht erfunden, sondern sie entwickeln sich. Wer auf die Zukunft schließen will, muss erst einmal in die Vergangenheit blicken.

Jeder Leser eines Textes aus dem 19. Jahrhundert, jeder GOETHEoder SCHİLLER-Leser stößt immer wieder auf Wörter und Redewendungen, die ihm nicht geläufig sind, oder auf Wendungen, die er zwar versteht, aber in der vorliegenden Form jedenfalls nicht gebrauchen würde. Dass der GOETHE-Leser z. B. bisweilen Stellen schief oder falsch versteht, weil der Klassiker vor mehr als 150 Jahren Wörter oder Wendungen in einem anderen Sinn verstand als wir heute, das ahnt er häufig nicht einmal. Und je weiter wir den zeitlichen Strom der geschichtlichen Entwicklung aufwärts verfolgen, umso stärker unterscheidet sich das frühere Deutsch vom heutigen.

Ein Beispiel kann das zeigen: Vor über 450 Jahren, im Jahre 1530, hat LUTHER Fabeln AESOPs übersetzt; der Anfang der neunten Fabel lautet:

„Da der Wolf einmal ein Schaf geiziglich fraß, blieb ihm ein Bein im Halse überzwerch stecken, davon er große Not und Angst hatte und erbot sich, groß Lohn und Geschenk zu geben, wer ihm hülfe. Da kam der Kranich und stieß seinen Kragen dem Wolf in den Rachen und zog das Bein heraus“ [6, 12].

Zwar kommen einem bestimmte Wendungen recht altertümlich, ja antiquiert vor, doch kann wohl jeder Deutsche hier noch jedes Wort verstehen, auch die heute nicht mehr gebräuchlichen Wörter („geiziglich“ = nicht „geizig“, sondern „gierig“, „heißhungrig“; ebenso wäre „Bein“ mit „Knochen“ zu übersetzen, „überzwerch“ mit „quer“ und „Kragen“ mit „Hals“. (Er kriegt den Kragen nicht voll.)

Die Gründe für den Sprachwandel sind so verschieden und verwickelt wie das persönliche Leben ihrer Sprecher: Kontakt mit Fremden, Zweisprachigkeit, Verdrängung und Überlagerung, geschriebene Sprache, das Lautsystem selbst, das immer nach Symmetrie strebt, und vieles mehr.

Im Laufe der Geschichte haben die deutschen Begriffe vor allem aus dem Lateinischen, Griechischen und Französischem übernommen und eingedeutscht. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts beeinflusst nun das Englische die deutsche Sprache, seit dem Zweiten Weltkrieg ist es zur bedeutendsten Quellsprache im Westen des Landes geworden.

Ein Hauptgrund für den Sprachwandel in den letzten 200 Jahren war die beispiellose Verstädterung. Im Zuge der Industrialisierung erfuhr Deutschland im 19. Jahrhundert eine regelrechte

„Landflucht“. Auf der Suche nach Arbeit zog ein Großteil der Bevölkerung in die rasant wachsenden Städte und neuen Industriezentren. Die dritte Welt erlebt heute eine ähnliche urbane Revolution, die nicht nur Sprachen, sondern ganze Sprachfamilien auslöscht. Die Umkehrung der traditionellen Siedlungsformen führt zu unzähligen sprachlichen Umwälzungen, ein Einschnitt, der Dialekte einebnet und sogar ganze Sprachen ersetzt. Es gibt annähernd 6500 Sprachen dieser Welt. 273 davon werden von einer Million Menschen und mehr gesprochen. Schon in hundert Jahren, so schätzt Martin HASPELMATH vom Leipziger Max-PlanckInstitut für evolutionäre Anthropologie, wird die kulturelle Globalisierung allenfalls 2.000 dieser Wortwelten übriggelassen haben. Bis zu 80 % der Sprachen dieser Welt sind im Verlauf des 21. Jahrhunderts vom Aussterben bedroht. Pro Jahr sterben weltweit mindestens 50 Sprachen. Trifft das auch die deutsche? Dennoch darf es keine Gesetze geben, die dem Einzelnen den Gebrauch einer bestimmten Art von Sprache vorschreiben. Das Individuum kann an der Sprache der anderen nichts ändern. Egal, ob mit oder ohne Fremdwörter – wichtig sei vor allem, dass der Redner von seinem Zuhörer verstanden werde. Nur wenn eine Information erfolgreich weitergegeben wird, handelt es sich um Kommunikation [4].

Die deutsche Sprache hat sich als Hochsprache in einem langen Zeitraum zwischen 1650 und 1800 herausgebildet. Das Ergebnis war: Hochdeutsche Sprache war allgemein verbindlich. Man hatte in Deutschland eine einheitliche Sprache vor der einheitlichen politischen Ordnung (von 1870). Doch die weitere Entwicklung im abgelaufenen Jahrhundert ist durch eine „wilde Geschichte“ gekennzeichnet. Die Selbstverständlichkeit eines nationalen Rahmens ist für die Sprache nicht gegeben. Zwischenzeitlich hatte z. B. für die Orthographie der Duden das halboffizielle Sagen. Eigentlich wären ja die 16 Kultusminister der einzelnen deutschen Bundesländer zuständig, aber sie nehmen ihre Verantwortung kaum wahr. Die deutschsprachigen Länder haben – anders als etwa Frankreich seit der Zeit Ludwigs XIV. mit seiner ACADÉMIE FRANÇAISE in Paris als Garant französischer Sprachkultur, Französisch ist laut Verfassung „Sprache der Republik“ – keine vergleichbare Institution, was ein erheblicher Nachteil ist. Das Drama der „Rechtschreibreform“ ist das jüngste Lehrstück für diesen Mangel.

Unter sämtlichen germanischen Sprachen hat das Deutsche neben dem Englischen die größte Bedeutung erlangt. Deutsch ist, vor allem in Europa, auch heute ein wichtiges Mittel internationaler Verständigung. Es ist gegenwärtig für etwa 100 Millionen Muttersprache, von denen circa 80% in Deutschland leben.

In den meisten Nachfolgestaaten der Sowjetunion und Jugoslawiens, in Tschechien und in der Slowakei, in Rumänien, Polen und Ungarn leben etwa 3 Millionen Deutschstämmige, die verschiedene meist altertümliche deutsche Dialekte sprechen, falls sie nicht sprachlich assimiliert worden sind. Während und nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die deutschsprachigen Minderheiten dort durch Umsiedlung, Flucht, Vertreibung und Deportationen dezimiert. Gruppen von Deutschsprechenden gibt es außerdem in Amerika, vor allem in Kanada, den USA (etwa 35 Millionen US-Bürger sind deutscher Abstammung), Brasilien, Chile, dann in Australien, Namibia und Südafrika.

Mehr als jede andere europäische Sprache außer dem Russischen hat das Deutsche direkte Kontakte zu anderen Sprachen. Es berührt sich an den Außengrenzen mit 14 anderen Sprachen: im Westen das Niederländische, das Letzeburgische und das Französische; im Süden das Italienische, die alpenromanischen Sprachen und das Slowenische; im Osten das Kroatische, Ungarische, Slowakische, Tschechische und Polnische; im Norden das Dänische.

Minderheitensprachen innerhalb des deutschen Sprachgebiets sind das Sorbische in der Lausitz, eine westslawische Sprache mit etwa 60.000 zweisprachigen Sprechern, das Nordfriesische an der Westküste Schleswig-Holsteins mit etwa 15.000 Sprechern und das Ostfriesische (Saterfriesische) im Oldenburgischen mit etwa 1.500 Sprechern. Nationale Minderheiten in Österreich sind die Kärntner Slowenen und die Burgenländer Kroaten. Die mehr als sechs Millionen Arbeitsmigranten, die auf Dauer in Deutschland leben, haben weitere Sprachen gebracht, deren Einfluss auf das heutige Deutsch noch kaum erforscht ist. Die zahlenmäßig wichtigsten sind das Türkische, das Kurdische (eine indogermanische Sprache), das Neugriechische, Serbokroatische, Italienische, Spanische, Portugiesische und Arabische. Viele vermeintliche Südslawen sind in Wirklichkeit Albaner.

Das Deutsche hatte große Anziehungskraft vor allem auf Völker Nord-, Mittelund Osteuropas. Der Ruhm der deutschen Sprache ist alt. LUTHER sagt in den Tischreden, die deutsche Sprache sei die vollkommenste aller Sprachen; HERDER hat sie eine Stiefschwester der griechischen genannt. Friedrich Theodor VISCHER [10] hat gemeint: das Französische sei wie Likör und Biskuit, das Italienische wie Rotwein und Orangen; das Holländische ganz Hering, das Deutsche dagegen sei wie gutes Roggenbrot und Bier. Die herausfordernde Verachtung eines deutschen Kaisers, Karls V., der kein Deutsch sprach, für die deutsche Sprache, die nach ihm nur für Pferde und Knechte geeignet ist, blieb nicht unbekannt.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat die einstige Weltgeltung des Deutschen als Sprache der Philosophie, großer Dichtung und vor allem als Sprache der Wissenschaft einen empfindlichen, kaum mehr aufzuholenden Rückschlag hinnehmen müssen. Bei näherer Betrachtung wird aber auch klar, dass dieser Rückschlag nicht nur auf den verlorenen Krieg zurückgeht, sondern auch auf den Antisemitismus, der eine Elite führender Gelehrter und Schriftsteller in die Emigration zwang; ebenso auf die ideologische Intoleranz des nationalsozialistischen Regimes, die auch nichtjüdische Intellektuelle in die äußere oder innere Emigration trieb und ihrer Wirkungsmöglichkeit beraubte. Die Erschütterung des deutschen Ansehens durch das Bekanntwerden der nationalsozialistischen Greueltaten kam hinzu.

Lwiw/Ukraine, Riga, Czernowitz / Ukraine, Dorpat, Prag und Laibach waren bis zum Ersten Weltkrieg zweisprachige Städte. Nach 1918 lebten dort noch große Minderheiten deutscher Sprache. Franz KAFKA stammt aus Prag, Joseph ROTH aus Schwabendorf (Ostgalizien/Ukraine), die Lyriker Paul CELAN (eigentlich Paul ANCZEL) und Rose AUSLÄNDER sind aus Czernowitz. Aus all dem kann man folgern, dass die deutsche Sprache, der deutsche Kulturraum immer größer war als der jeweilige deutsche Staat. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde fast überall mit den Deutschen auch das Deutsche ausgelöscht. Doch ganz verschwunden ist das Deutsche als Fremdsprache dort nie. Es trifft heute auf ein neues, ziemlich unbefangenes und sehr lebendiges Interesse.

Man kann die Sprache nicht als ein in sich geschlossenes System verstehen, das gegen andere Systeme eindeutig abzugrenzen wäre. Jede

Sprache, die wir kennen, ist durch andere Sprachen beeinflusst, ist mit anderen Sprachen vermischt – wie sollte das anders sein bei der Sprache der Deutschen, die ringsum von Nachbarn anderer Zunge umgeben sind? Fremde Einflüsse können, wie wir wissen, auch Grammatik, Wortschatz und Phraseologie einer Sprache verändern.

Die deutsche Sprache hat sich vor allem in der

2. Hälfte des 20. Jahrhunderts rasch und tiefgreifend gewandelt. Erstaunlich ist nun für uns, dass es außer Linguisten kaum jemanden im deutschen Sprachraum gibt, der diese Entwicklung positiv beurteilt. Die meisten Menschen – darf man demoskopischen Zahlen vertrauen, sind es fast 84% – glauben, dass das Neue in der Sprache schlechter sei als das Alte, das Überkommene. Sie fürchten, dass es mit der deutschen Sprache – und in Verbindung damit auch mit dem Denken – unaufhaltsam bergab gehe. Warum, so muss man sich fragen, wenn man Veränderungen in der deutschen Gegenwartssprache einer Betrachtung unterzieht, setzen so viele Menschen Sprachwandel mit Sprachverfall gleich, und sind ihre Klagen, die heute so laut in die Öffentlichkeit dringen, vielleicht berechtigt?

Daran, dass die deutsche Sprache viel von ihrer klanglichen Schönheit und von ihrem Reichtum an Deklinationsund Konjugationsformen eingebüßt hat, daran kann es gar keinen Zweifel geben. Jeder kann sich, ohne in der Sprachgeschichte erfahren zu sein, ein Bild davon machen, wenn er einen mittelalterlichen Text liest oder sich vortragen lässt. So lauten zum Beispiel die ersten Zeilen des Vaterunsers im St. Galler Paternoster und Credo aus einer Handschrift des 8. Jahrhunderts: Fater unser, thu pist in himile, uuihi namun dinan, qhueme rihhi din, uuerde uuilo diin, so in himile sosa in erdu.

Hier stehen wir einem ganz anderen Flexionssystem gegenüber; die Vokale der Endungssilben sind nicht eingeebnet oder getilgt, so dass man von dem Wohlklang der Sprache sofort berührt ist.

Sprachen folgen nicht den Gesetzen des Wohlklangs oder der Schönheit, sie sind ein Sozialgebilde, eine gesellschaftliche Größe, deren Hauptfunktion es ist, die Verständigung in einer Gemeinschaft zu gewährleisten. Um die Funktion zu erfüllen, muss eine Sprache nicht wohlklingend sein, sie braucht auch keineswegs einen großen Bestand an differenzierten Formen.; sie folgt dem Gesetz der Ökonomie, mit einem Minimum an artikulatorischem und geistigem Aufwand ein Maximum an kommunikativer Wirkung zu erzielen. Sie gleicht daher aus, vereinfacht und beseitigt Überflüssiges. Durch die Beseitigung überflüssiger, für die Information nicht notwendiger Merkmale und durch systematisierenden Ausgleich stellt sich auch die Sprache unter das Prinzip der Ökonomie, nämlich: mit dem geringsten Aufwand an Mitteln den höchstmöglichen Effekt zu erzielen. Schrieb GOETHE noch „Die Leiden des jungen Werthers“ [2], so verzeichnen Literaturgeschichten heute nur mehr „Die Leiden des junger Werther“ („des“ macht ja den Genitiv deutlich), und dass GOETHE noch „Lotten“ geküsst hat und FAUST

„Helenen“ in jedem Weibe sah, das mutet uns heute schon fast grotesk an. Aber nicht nur bei Namen wird auf die Deklination verzichtet – etwa weil eine große Scheu besteht, eine Namensform zu verändern –, der Abbau der Kasusform schreitet generell rasch voran, wie jedermann feststellen kann, der einmal – auf die Sprache achtend – eine deutsche Zeitung liest: „in der zweiten Hälfte des April“ (nicht: „des Aprils“) heißt es da, und vom Kursverfall des Dollar (nicht: „des Dollars“) ist die Rede; „Attentat auf den Präsident“ (nicht: „den Präsidenten“) melden die Schlagzeilen, und im Zusammenhang mit einem politischen Skandal wird von einem „geheimnisvollen Informant“ (nicht: “Informanten“) berichtet. Auf den Werbeseiten wird der Film „Rückkehr zum Planet (nicht: „Planeten“) der Affen“ angezeigt, die „Montage von Büromöbel“ (nicht: „Büromöbeln“) angeboten und für ein kosmetisches Präparat mit der Verheißung geworben: „Hilft bei Akne und Mitesser“ /statt: „Mitessern“).

Manches davon mutet uns, wenn wir bewusst darauf achten, noch ungewohnt an, gilt nach den gängigen Grammatiken als falsch; an vieles aber haben wir uns gewöhnt, und die grammatischen Normen sind auch schon der Sprachentwicklung gefolgt. So wird etwa die Kennzeichnung des Dativs mit –heute nicht mehr von den Grammatiken gefordert – Formen wie „in unserem Betriebe“ oder „mit neuem Mute“ wirken bereits gehoben und geradezu archaisch –, und nach der Präposition „wegen“ zum Beispiel lässt die hochsprachliche Norm die Nichtbeugung des folgenden Substantivs zu, wenn es allein, d. h. ohne Artikel, Pronomen oder Adjektivattribut steht. Es heißt also gewöhnlich “Das Geschäft ist wegen Umbau (nicht: wegen Umbausgeschlossen“ oder „Das Fußballspiel musste wegen Nebel (nicht: wegen Nebels) abgebrochen werden.

„Es ginge dem Genitiv prächtig, wäre die Gesellschaft seiner bloß mächtig!“ Nein, diesen Stoßseufzer reimte kein namhafter Literat oder Sprachkritiker, sondern irgendwer im Internet, dem

Genitiv und Dativ offenbar nicht einerlei sind. Das scheint bei vielen Menschen, die öffentlich reden oder schreiben, anders zu sein. Ungeniert formulieren sie lautlos: Wir kennen die Sorgen der Menschen und nehmen uns ihnen an (oder werden ihnen Herr). Auch beschuldigen, anklagen und gedenken erhalten immer seltener das ihnen zustehende Genitivobjekt, von besinnen oder harren gleich zu schweigen.

Der Genitiv ist in der deutschen Gegenwartssprache vom Aussterben bedroht. Unermüdlich rufen Sprachkritiker und Sprachpfleger dazu auf, ihm ein sprachökologisches Biotop einzurichten und den Genitiv zu retten. „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ heißt der Titel eines Buches von Bastian SICK [8].

Es gibt keinen Zweifel daran, dass der Objektgenitiv – der Genitiv also, der vom Verb als Ergänzung gefordert wird – in der deutschen Sprache seit LUTHER immer seltener geworden ist und in der Gegenwartssprache eine ganz untergeordnete Rolle spielt. Die Zahl der Verben die heute noch ein Genitivobjekt fordern, ist außerordentlich gering, im wesentlichen sind es ein paar reflexive Verben wie „sich einer Sache annehmen, sich einer Sache vergewissern, sich jemandes oder einer Sache bemächtigen“. Sonst ist das Genitivobjekt durch das Akkusativobjekt oder durch ein Präpositionalobjekt ersetzt worden. Es heißt heute

Er vergaß seine Pflichten“ (nicht mehr: „Er vergaß seinePflichten“) oder „Sie achtete nicht auf den Schmerz“ (nicht mehr: „Sie achtete nicht der Schmerzen“ – wie man es etwa noch bei Thomas MANN lesen kann).

Eine Schwächung des Genitivs lässt sich auch im nominalen Bereich, also in Substantivgruppen feststellen. So ist es heute in vielen Fällen üblich und auch normgerecht, den Genitivus possessivus – den Genitiv also, der Besitz und Zugehörigkeit angibt – durch ein Präpositionalgefüge mit „von“ zu ersetzen, also etwa „die Hochschulen von Ulm“ (statt: „die Hochschulen Ulms“) oder „das Haus von meinem Bruder“ (statt: „das Haus meineBruders“). Auch der Genitiv, der die Art des übergeordneten Ganzen nennt, der Genitivus partitivus, wird heute immer mehr durch bloße Nebeneinanderstellung oder präpositionale Gefüge zurückgedrängt. Man sagt fast nur noch „eine Tasse starker Kaffee“ oder „ein Strauß aus duftenden Blumen“ – die Verbindung mit dem Genitiv „eine Tasse starkeKaffees“ bzw. „ein Strauß duftendeBlumen“ werden als gespreizte, abgehobene Ausdrucksweise empfunden.

Andere Entwicklungen wiederum stärken den Genitiv in der Gegenwartssprache. Während bei

„wegen“ der Genitiv in der gesprochenen und zunehmend auch in der geschriebenen Sprache durch den Dativ zurückgedrängt wird, gibt es Präpositionen, bei denen in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts der Genitiv den Dativ abgelöst hat, wir denken etwa an „dank“ und „trotz“, die in der Regel nicht mehr mit dem Dativ, sondern mit dem Genitiv verbunden werden, als etwa „dank seineEinflusses“, „trotz des Regens“, und bei einer großen Zahl von Präpositionen, die besonders in der Verwaltungsund Wirtschaftssprache gebräuchlich sind, steht der Genitiv in voller Blüte, etwa bei „anhand, anlässlich, aufgrund, bezüglich, einschließlich, infolge, kraft, laut, mittels“.

Eine ausgesprochene Stärkung seiner Position in Substantivgruppen hat der Genitiv auch im Wissenschaftsdeutsch und in den Fachsprachen erfahren, wo ein großer Bedarf an nominalen Ausdrücken besteht. Es gibt also überhaupt keinen Grund, um den Genitiv in der deutschen Gegenwartssprache besorgt zu sein.

Auch verringert sich der Bestand an starken Verben mit unregelmäßiger Flexion, die ja eine Besonderheit gegenüber den schwachen Verben darstellen, immer mehr. Nicht „sog“ und „gesogen“, sondern „saugte“ und „gesaugt“ heißt es heute gewöhnlich; wir sagen „Im Volk gärte (nicht „gor“) es; – „sott, glomm, troff“ statt „siedete, glimmte, triefte“ kommen uns heute bereits abgehoben oder antiquiert vor.

Beim Imperativ wird in der gesprochenen Sprache der e/i-Wechsel nach und nach aufgegeben. Es heißt heute „Helf mir!“ statt „Hilf mir!“ oder „Sprech laut!“ statt „Sprich laut“! Ebenso wird auf die Personalendung -e verzichtet. Wir hören immer häufiger „Wasch dich!“ neben

Wasche dich!“ oder „Zieh dich an!“ neben „Ziehe dich an!“ Und in Christa WOLFs „Kassandra“ lesen wir (ohne Apostroph): „Ich hab es schwer gelernt... Vor ihn niederwerfen werd ich mich“.

Ebenfalls lassen sich beim Konjunktiv die gleichen Entwicklungstendenzen beobachten: Trotz aller Versuche, den alten Konjunktiv zu retten, geht die Entwicklung unaufhaltsam zu einem mit „würde“ gebildeten Einheits-Konjunktiv: „O, würde er mir doch helfen!“ statt „O, hülfe er mir doch!“ oder „Wenn er kommen würde, könnten wir anfangen“ statt „Wenn er käme, könnten wir anfangen“. (In Bedingungssätzen) „Würde ich auf Genesung hoffen, so würde ich die Kur gebrauchen“ statt „Hoffte ich auf Genesung, so ...“ Und auch die Möglichkeitsform wird durch die Wirk-

lichkeitsform ersetzt. Sie sagten, dass sie kein Geld „haben“ statt „... kein Geld „hätten“. Selbst Journalisten, Nachrichtensprecher, Kommentatoren in Funk und Fernsehen verzichten häufig, den Konjunktiv als Signal für die Grenze zwischen Nachricht und Kommentar zu verwenden. Sie melden, „Der Finanzminister erklärte, dass der Haushalt gesichert ist“ statt: „... gesichert sei“, und geben damit den Äußerungen persönlicher Meinungen den Anstrich von Tatsachenerklärungen [5; 336-449].

Auch brauchen ohne „zu“ ist erlaubt. Wir lernten noch: „Wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen.“

Der Wortschatz einer Sprache ist eine reiche Quelle für die Kulturgeschichte des betreffenden Volkes. Das Wortgut einer Sprache ist vor allem eine Schatzkammer von Ideen, Gedanken und Begriffen. Diese Erkenntnis ließ auch die Brüder JACOB (1785-1863) und WİLHELM (1786-1859)

GRİMM an die Schaffung eines Deutschen Wörterbuches denken, das wegen seines bildenden Gehalts und seiner allgemeinen Bedeutung für das Volk zu einem wahren deutschen Hausbuch werden sollte. Der Plan ging in dieser Form leider nicht in Erfüllung, weil das Werk in zu großer Breite angelegt wurde. Das Deutsche Wörterbuch hat vor etwa 150 Jahren, 1854, zu erscheinen begonnen und wurde erst vor noch nicht langer Zeit abgeschlossen [3].

Zu allen Zeiten wurde die menschliche Sprache nicht nur als Mittel zur Verständigung, sondern auch als Instrument der Beeinflussung benutzt. Aber in früheren Zeiten bewegte sich das, was man öffentliche Meinung nennt, wie ein ruhig dahin fließendes Gewässer, vergleicht man damit den heutigen Zustand, der das Bild eines hochgehenden Wildbachs mit Stromschnellen, Strudeln und Treibholz heraufbeschwört.

Die auffallendste Veränderung der letzten Jahrzehnte lässt sich am Wortschatz feststellen. Noch nie ist der Zuwachs an Wörtern so rasant gewesen wie heute, eine Entwicklung, die für alle modernen Kultursprachen charakteristisch ist. Die neuen Wörter spiegeln unsere Zeit, genau wie Wörter immer ein Spiegel der neuen Zeit und Kultur gewesen sind, angefangen von neuen germanischen Wörtern der Bronzezeit über das Einwirken der römischen Kultur, das Christentum, die französisch beeinflusste Ritterkultur, den Humanismus usw. Die Fortschritte der Technik und der Naturwissenschaften erfordern immer mehr neue Wörter, in erster Linie für Erfindungen, Geräte, Verbrauchsgüter und Verkehr (Atomreaktor, Satel-

litenphoto, Tiefkühltruhe, Tankstelle, Jet). Auf politischem und kulturellem Gebiet braucht man neue Wörter für Vorstellungen und Begriffe (Chancengleichheit, Radikalenerlass, Betriebsklima, Image, Zwölftonmusik, Direktübertragung). Doch sind viele Wortbildungen nicht für die Ewigkeit gedacht. Wenn Nordund Ostsee z. B. nicht mehr verseucht sind, dann werden auch Wörter wie

Robbensterben“ und „Killeralgen“ ganz schnell in der Versenkung verschwinden.

Durch die Massenmedien erreichen die neuen Wörter (Neologismen) ein großes Publikum, und der passive Wortschatz der Sprachträger vergrößert sich. Gleichzeitig werden aber – nicht nur im engen Kreis – öfter als früher Wörter verwendet, die nur wenige verstehen. Kam zu Beginn der Neuzeit ein Bauer in den Alpen oder ein Holzfäller im Schwarzwald mit etwa 800 Wörtern aus, so verfügen Kinder heute bereits ein Jahr vor der Einschulung im Durchschnitt über einen aktiven und passiven Wortschatz von 5000 Wörtern, und der Wortschatz eines erwachsenen Durchschnittsprechers umfasst heute etwa 14 000 bis 16 000 Wörter.

Es gibt auch Anzeichen dafür, dass der aktive Wortschatz zurückgeht, vielleicht besonders bei den Jugendlichen, die Schwierigkeiten in der Kommunikation haben. Trägt hier das, was man heute Reizüberflutung nennt, die Schuld? Bestimmt aber das Fernsehen!

Durch das ungeheuere Tempo der Sprachentwicklung und die starken Veränderungen im Wortschatz werde die Sprache des 18. und 19. Jahrhunderts immer fremder, so dass uns der Zugang zu den klassischen Autoren auch immer mehr erschwert wird.

Ein weiteres Phänomen ist die „Popularisierung oder Vulgarisierung des Wortschatzes“. Die deutsche Hochsprache war im 19. Jahrhundert im wesentlichen eine geschriebene Sprache, gesprochen aber wurde Mundart. Im 20. Jahrhundert ist diese Sprache auch eine gesprochene Sprache geworden. Sie hat heute zwei Existenzweisen, eine geschriebene und eine gesprochene, die man unter dem Begriff Standardsprache zusammenfasst. Nach 1945 hat sich die Hochsprache weit gegenüber der Umgangssprache geöffnet. Dass einige die Popularisierung der Hochsprache als Aufforderung missverstehen, nur noch flapsig und enthemmt mit der Sprache umzugehen, und ständig mit Fäkalausdrücken um sich zu werfen, das sollte uns nicht den Blick dafür verstellen, dass dieser Popularisierungsprozess überaus wichtig war und zu einer Belebung und Erneuerung der Hochsprache geführt hat.

In diesem Zusammenhang muss auch die Jugendsprache genannt werden mit Bildungen und Ausdrucksweisen wie „affengeil“ (=großartig, toll), oder unheimlich, irre, wahnsinnig, echt Spitze, super, usw.dann „Schleimi“ (=Schleicher, widerlicher Mensch), tote Hose (=Misserfolg, Wirkungslosigkeit), keinen Bock oder null Bock haben (= keine Lust verspüren, nicht gewillt sein), oder „Der beknackte Opa hat null Durchblick“, womit zum Ausdruck gebracht wird, dass ein älterer Erwachsener etwas nicht durchschaut, nicht versteht. Damit wollen sich die Jugendlichen ganz bewusst von den Erwachsenen absondern. Oder das bei Jugendlichen beliebtere Adjektiv cool (= überlegt, abgeklärt, einzig); es gibt fast keine Beschreibung von Eigenschaften mehr, für die nicht dieses Wort benutzt wird. Dadurch wird ganz klar einer Verkümmerung des sprachlichen Ausdrucksvermögens Vorschub geleistet. Man kann dies sehr leicht ermessen, dass in der deutschen Sprache mehr als 40 Eigenschaftswörter vorhanden sind, die für dieses eine englische eingesetzt werden können, so etwa: anziehend, außergewöhnlich, besonnen, erstaunlich, gelassen, hübsch, kaltschnäuzig, packend oder spannend – schlagender kann man eine Verarmung der Alltagssprache nicht verdeutlichen.

Verbreitet werden neue Wörter namentlich durch die Jugend und durch die Ungebildeten, die keine Spracherfahrung haben, die nicht wissen, ob ein Wort alt oder neu, gebräuchlich oder ungebräuchlich ist; dann werden sie – diese Wörter – oft in kurzer Zeit zu Modewörtern.

Auch das Kontextphänomen Metapher, der bildliche Ausdruck, muss hier erwähnt werden. Die Sprache ist ein großer Garten mit verwelkten Metaphern; in ihr laufen ständig neue metaphorrische Prozesse ab, führen bildliche oder übertragene Verwendungsweisen zu neuen Wortbedeutungen und zu Bedeutungswandel. Dabei geht es vor allem darum, bereits vorhandene Wörter in besonderer Weise zu verwenden, um neue Ausdrucksmöglichkeiten zu schaffen, was wir an einigen Beispielen veranschaulichen möchten: „Der Trainer des 1860 München wurde abge-schossen“ („abschießen“ eigentlich „durch einen Schuss töten“, hier in der Bedeutung von „abset-zen, entlassen“). „Einige Zuhörer schnallten während meines Vortrags ab“ („abschnallen“ eigentlich „die Schnallen eines Gurtes, eines Gepäckstückes lösen“, hier in der Bedeutung „geistig nicht mehr folgen können“).

Was für die Wörter gilt, das gilt auch für die phraseologischen Einheiten, nämlich die festen Wendungen und Redensarten. Viele dringen nach und nach aus der gesprochenen Umgangssprache in die geschriebene Sprache, etwa „auf den Putz hauen“ (für: „angeben; übermütig sein, ausgelassen feiern“), „die Kuh vom Eis kriegen“ (für: “ein schwieriges Problem lösen“), „die Sau raus lassen“ (für: “sich zwanglos geben, sich ungehemmt gehen lassen“), „weg vom Fenster sein“ (für: „nicht mehr beachtet werden, abgeschrieben sein“).

Mit diesen Beispielen möchten wir deutlich machen, wie die Metaphorik neue Ausdrucksmöglichkeiten schafft, eine abgenutzte, blasse Sprache wieder anschaulich macht und mit prallem Leben erfüllt.

Die sogenannte „Sprachpolitik von unten“, gemeint wird die feministische Sprachpolitik, hat in der Tat einen sprachlichen Niederschlag gefunden; sie hat eine ganze Reihe von Veränderungen vor allem bei den Sprechund Schreibgewohnheiten bewirkt.

Wenn man heute auf die feministische Sprachpolitik seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts blickt, dann können wir feststellen, dass vieles, was in dieser Zeit gefordert worden ist, als berechtigt erkannt und verwirklicht wurde. Wer redet heute noch eine unverheiratete Frau, wenn sie es selbst nicht ausdrücklich wünscht, mit „Fräulein“ an? Selbst 15jährige weibliche Azubis werden ja schon mit „Frau“ angeredet! Kaum ein Unternehmen schreibt heute noch in ein Stellenangebot „Sachbearbeiter gesucht“, wenn es bereit ist, eine Frau für diesen Posten einzustellen. In Vordrucke haben die gesplitteten Formen oder Klammerformen – also „Teilnehmer/in“ oder

„Antragsteller(in) – Einzug gehalten. Zahlreiche weibliche Personenund Berufsbezeichnungen sind gebildet und lexikalisiert worden, etwa

„Kauffrau, Amtmännin bzw. Amtfrau, Bundeskanzlerin, Ministerin, Torfrau, Magistra, aber die weibliche Form „Doctrix“ für Doktor will man nicht haben, so dass die Möglichkeit besteht, das natürliche Geschlecht einer Person anzuzeigen oder unter einem bestimmten Aspekt hervorzuheben.

Andere geforderte Änderungen des Sprachgebrauchs haben sich Gott sei Dank nicht durchgesetzt wie etwa die Ergänzung des Indefinitpronomens „man“ durch ein Indefinitpronomen „frau“ (klein geschrieben).

Es gibt heute in Deutschland kaum eine Gruppierung, die nicht ihre Befindlichkeiten an der

Sprache festmacht und, blindem Sprachfetischismus verhaftet, Wörter ausmerzen oder den Sprachgebrauch ändern möchte. Die einen stolpern über das Verb „türken“ (=fingieren, fälschen) und wittern darin eine Verunglimpfung türkischer Mitbürger, die anderen möchten die Wendung „zum Schießen sein“ (=lustig, komisch sein) als Ausfluss militaristischer Gesinnung ächten.

In diesem Zusammenhang muss gesagt werden, dass es sehr naiv ist zu glauben, man brauche nur die Sprache zu verändern, um auch das Bewusstsein und die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern. In der Muttersprache ehrt sich jedes Volk; in seiner Sprache Schatz ist die Urkunde seiner Bildungsgeschichte niedergelegt.“ Dieses JAHN-Wort muss uns nachdenklich stimmen, wenn wir die Gegenwartssprache zum Gradmesser des deutschen Kulturzustandes machen. Über die Sprache fließen heilsame wie verhängnisvolle Vorstellungen in unser Denken ein. Die kulturellen Äußerungen eines Zeitalters können nur als Ganzes verstanden und beurteilt werden. Kunst, Religion, Sprache sind Glieder eines Leibes, und die Verletzung eines Teiles trifft sie alle.

„Verstand ist stets bei wenigen nur gewesen“, sagt SCHILLER im Demetrius [9], und auch heute folgt die Mehrheit den Tagesmoden bereitwillig. So ist auch die Sprache in unseren Tagen auf das Wirken einer Minderheit von Sprachbewussten angewiesen, damit die Sprachdummheiten von heute nicht zu Regeln von morgen werden.

Heute wie früher ist das Deutsche durchsetzt von Fremdwörtern. Wenn es in den vergangenen Jahrhunderten zunächst vor allem das Lateinische und das Französische waren, die als Hauptlieferanten für den Fremdwort-Import dienten, so kommt in neuester Zeit der Wortwie auch der sonstige Kultur-Import aus den USA.

In der Vergangenheit war der Einfluss fremder Wörter und Wendungen jeweils zeitlich begrenzt und auf bestimmte, relativ isolierte Sprecherkreise beschränkt: der Adel und das Militär des 17. und Jahrhunderts benutzten das Französische, Kaufleute und Musiker das Italienische, die Wissenschaften und Geistliche Latein und Griechisch, Seefahrer und Sportsleute das Englische. Sofern es sich um bloße Moden handelte, verschwanden die Importe von alleine wieder. Beim Militär und bei der Post wurden sie auch durch planvolle Eindeutschungen beseitigt. Sofern sie sich aber nützlich machten, weil sie nämlich Dinge und Vorgänge benannten, für die das Deutsche keine ebenso handliche Begriffe bereitstellte, wurden sie

eingebürgert – aus Fremdwörtern wurden Lehnwörter.

Der Einfluss des Englischen auf die deutsche Sprache ist bis zu Beginn der Neuzeit gering gewesen. Zwar erschien bereits 1899 eine Schrift Wider die Engländerei in der deutschen Sprache, aber im Vergleich zu der heutigen Lage bestand damals nur geringer Anlass zu diesem Alarmruf. Die Zahl von 392 registrierten Anglizismen um 1900 gegenüber 11 um 1800 verrät keine bedrohliche Entwicklung der deutschen Sprache, jedenfalls was das Anglo-Amerikanische betrifft.

Dennoch ist nicht zu verkennen, dass wir im Jahrhundert eine neue Blütezeit des Fremdworts haben, trotz einer gesteigerten Abwehr, die vor allem von dem 1885 gegründeten „Allgemeinen Deutschen Sprachverein“ ausgeht. Aber in diesem Jahrhundert kommen die fremden Einflüsse auf die deutsche Sprache noch überwiegend, wie schon erwähnt, aus dem Französischen, wenn man von den antiken Sprachen absieht, die gleichsam den Rohstoff für die Fachsprachen der Wissenschaft und Technik bereitstellen.

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ist der Wortschatz des Eisenbahnwesens eingedeutscht worden. Der Perron wurde zum Bahnsteig, das Coupé zum Abteil, das Retourbillet zur Rückfahrkarte, der Kondukteur zum Schaffner – der heißt inzwischen Zugbegleiter, gehört zum Intercity-Team und sieht aus wie ein Liftboy. Bezeichnend hierfür ist, dass französische Ausdrücke den englischen vorgezogen wurden, als es darum ging, die neuen Einrichtungen des Eisenbahnwesens zu benennen, das doch auf eine englische Erfindung zurückgeht. Die wenigen aus dem Englischen entlehnten Wörter wie Waggon, Lokomotive und Tunnel erhielten französische Endbetonung. Die Vormachtstellung des Französischen noch um 1913 zeigt auch ein bekanntes „Deutsches Wörterbuch“, das in diesem Jahr erschien und u. a. folgende Wörter als allgemein gebräuchlich anführt: Affiche, Akquisition, Ancienität, Depesche, Engagement, Enquete, Epaulette, Jalousie, Kondolenz, Konfidenz, Kuvert, exquisit, indisponiert, kurant, akklimatisieren, akzeptieren, annihilieren, attrapieren, echauffieren, kollidieren.

Eine ganze Reihe dieser Wörter, die fast völlig aus dem Sprachgebrauch verschwunden waren, sind inzwischen über das Englische zurückgekommen. Der Umschwung zu Gunsten dieser Sprache kündigte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts an. An sich so bedeutende Vorgänge wie die Verdrängung von Galanterie und Impressario durch Flirt und Manager sind bezeichnend für die neue Richtung. Das Englische übt eine zunehmende Anziehungskraft auf das Deutsche aus, wofür es offensichtliche politische, kulturgeschichtliche und wirtschaftliche Gründe gibt.

Zur ersten Welle der englischen Fremdwörter gehören Ausdrücke wie Abstinenz, Agitation, Bab-y, Bluff, Boxcalf, Boykott, Budget, Bunker, chartern, Clown, Cut, Cutaway, Detektiv, Essay, Express, fair, Farm, fesch, Film, Flirt, Garage, Globetrotter, Golf, Grill, Handicap, Hockey, Humbug, Interview, Jobber, Klosett, Klub, konservativ, Lift, Meeting, Mob, Partner, Plaid, Reporter, Revolver, Rowdy, Safe, Scheck, Slang, Smoking, Snob, Standard, Start, Streik, Sweater, Tennis, Training, Trick u. a.

Einige dieser Wörter werden noch französischen Aussprachegesetzen unterworfen, wie z. B. Budget, Detektiv, Garage, und Klosett; bei anderen erleichtert die lateinische Wurzel die Angleichung an die deutsche Lautung (Abstinenz, Agitation), wie sie auch die englische Vermittlung verhüllt. Es darf dennoch nicht übersehen werden, dass die im Deutschen ungewöhnliche Aussprache in einer ganzen Reihe von Fällen Schwierigkeiten bereitet (Clown, Cut, Sweater, Plaid usw.). Andererseits fügen sich manche dieser englischen Fremdwörter reibungslos der deutschen Betonung und Aussprache, was sie bald zu echten Lehnwörtern macht (Film, Streik, Sport, Partner, Klub, Start u. a.). So ist es vielleicht auch nicht zufällig, dass sich die aus nationalistischen Impulsen kommende Fremdwortfeindlichkeit beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Grunde nur gegen das französische Fremdwort richtet und das englische Wortgut ungeschoren lässt. Um die Zeit des Ersten Weltkrieges wurde die Sprachpflege stärker in den Dienst des Nationalismus gestellt und der Fremdwortgebrauch als geistiger Landesverrat bezeichnet.

Nach 1945 steht man allerdings vor einer neuen Lage. Der deutsche Zusammenbruch am Ende des Zweiten Weltkrieges bedeutet auch auf sprachlichem Gebiet einen viel schärferen Einschnitt, als das von der Allgemeinheit wahrgenommen wurde. Weltanschauliche Ratlosigkeit, ein nahezu vollständiger Verlust des deutschen Selbstbewusstseins bei völliger politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit von den Besatzungsmächten schufen die Voraussetzungen für das Einströmen zahlreicher Fremdwörter in einem Umfang, wie es zuvor nur im Dreißigjährigen Krieg stattfand. Eine begreifliche Reaktion auf die Abschnürung Deutschlands vom geistigen, kulturellen und sozialen Leben des Westens, wie das deutsche Volk sie nach 1933 erleben musste, verstärkte die Bereitschaft zur kritiklosen Übernahme des Fremden auch auf sprachlichem Gebiet. Es ist angesichts der vorliegenden Umstände nicht verwunderlich, dass in diesem Vorgang das amerikanische Englisch sich immer stärker durchsetzt. Das geht Hand in Hand mit der politischen, wirtschaftlichen, technischen, militärischen und wissenschaftlichen Verflechtung zwischen den Vereinigten Staaten und Westdeutschland und spiegelt die führende Rolle der USA auf vielen Gebieten unserer Zivilisation. Auch hier zeigt sich wieder, dass sprachliche Umschichtungen größeren Ausmaßes immer auch Ausdruck bedeutender kultureller und gesellschaftlicher Vorgänge sind und deshalb auch nicht ausschließlich von der Sprache her beurteilt werden dürfen.

Die führende Stellung der USA unter den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges, ihre wirtschaftliche und technische Führungsrolle, der schnelle Wandel von Anschauungen und Gewohnheiten im Verhältnis der Geschlechter, der Generationen, das Aufkommen neuer „Subkulturen“ unter jungen Menschen – dies und so manches andere in Amerika, was in Deutschland, mindestens in den ersten zwei bis drei Jahrzehnten nach Kriegsende, als richtungweisend, vorbildlich, nachahmenswert empfunden wurde: das alles hat dazu geführt, dass angloamerikanische Wörter in großer Zahl ins Deutsche übernommen wurden.

Hinzu kommt die Bereitwilligkeit vieler Deutschen, sich an dem Vorbild der Sieger im Kriege, also vornehmlich der Amerikaner zu orientieren. Die langjährige Anwesenheit ihrer Soldaten auf deutschem Boden spielt dafür eine wichtige Rolle. Erinnern wir uns nur daran, dass auch Elvis PRESLEY Militärdienst in der amerikanischen Armee auf deutschem Boden leistete. Über den Bereich der Populärmusik weitete sich diese Entwicklung immer mehr aus, und im Zuge der aktuellen „Globalisierung“ ist dafür kein Ende abzusehen.

Jedenfalls kann für die Masse der nach 1945 eingedrungenen Anglizismen mit gutem Grund amerikanische Herkunft angenommen werden. Die Stärke der amerikanischen Fremdwortlawine ist dennoch überraschend; sie ist geeignet, den Bestand des deutschen Wortschatzes zu gefährden und vor allem das deutsche Sprachgefühl auszuhöhlen.

Wir dürfen nicht übersehen, dass schon seit Jahrzehnten eine riesige Flut von Anglizismen und Amerikanismen über den deutschen Sprachraum sich ergießt und die Verständigung erheblich

beeinträchtigt. Hier liegt ein Fall akuter Englischer (Sprach)Krankheit vor. Ohne Englischkenntnisse kann ein Normalbürger heutzutage deutsche Zeitungen, Funkund Fernsehsendungen nicht mehr verstehen oder seine Telefonrechnung lesen – hier steht „moonshine tarif, sunshine tarif, city call“. Ein Ausländer, der heutiges Deutsch gebrauchen will, muss Englisch und allerlei anderes gleich mitlernen. Wir lesen von Relaxing (nicht: Entspannung), von clean (nicht: sauber, drogenunabhängig), Politiker sprechen von vitalen Interessen nach vital interests statt von lebenswichtigen Interessen.

Denglisch – eine Mischung aus Deutsch und Englisch begegnet uns im Alltag immer und überall. Wir merken es oft gar nicht mehr. Wir kaufen nicht das Gesundheits-, sondern das Wellnessbrot, fahren einen TDI, einen TurbodieselInjection, im Fernsehen läuft ein werbeclip, wir surfen auf eine Homepage und gehen zum Summer Opening.

Reporter, Moderatoren und Showmaster wetteifern miteinander, ihr meist miserables Schuloder Touristenenglisch unter Beweis zu stellen, sie versuchen, mit englischen Brocken ihre Sendungen herauszuputzen. Nicht mehr Nachrichten, sondern News, nicht mehr Ereignisse, sondern Events, nicht Mitteilung, sondern Message heißt es jetzt. Eine Modenschau der Sprache. Ein Showmaster erklärt in seiner Unterhaltungssendung eine Kandidatin mit den Wörtern Sie sind the winner zum Sieger und es gab dann Standing ovations. Nachrichtensendungen sollten für die Allgemeinheit verständlich sein; und man bedenke auch: die Mediensprache hat heute für die meisten Menschen Vorbildcharakter. Umso mehr ist es daher notwendig, über den Wert der Sprache nachzudenken, in der Informationen und Unterhaltung vermittelt werden. Nicht nur Bahn und Post machen den Unsinn mit, ja machen sich lächerlich mit Ausdrücken wie „Service-Point“ statt Auskunft, ticket counter für Fahrkartenschalter und dergleichen, um sich als modern und leistungsfähig!! auszuweisen. Das Einkaufszentrum heißt jetzt „Shopping-Center“ und das gute alte Bürgerfest schmückt sich mit dem Leitsatz „Come Together“. Das Fabrikverkaufszentrum heißt: Factory outlet center (FOC) und das Zentrum für Schulqualität nennt sich Center of Excellence. Es gibt einen Backshop, ein Bratwurst-Center und auch einen BratwurstService. Der Bestattungsmeister heißt jetzt „Funeralmaster“, der Sarg „Peacebox“ und die Totengräber treffen sich jährlich zur Messe „Eternity“. Es ist eine Frage des Geschmacks, des Fingerspitzengefühls, ja des Sprachgefühls, wie man mit bestehenden Optionen umgeht. Das sind nicht mehr nur Sommersprossen im Gesicht der deutschen Sprache, sondern schon Pickel und Narben. Hier wird die deutsche Sprache mit überflüssigen Imponier-Anglizismen aufs sträflichste misshandelt.

 

References

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  2. Goethe, Johann Wolfgang: Die Leiden des jungen Werthers. Erstausgabe 1774; Goethes Werke. In 14 Bänden, Band 6. – Hamburg: Hamburger Ausgabe, 1948.
  3. Grimm, Jacob und Grimm, Wilhelm. Das Deutsche Wörterbuch. – Berlin, Brandenburg, Göttinger: Akademie der Wissenschaften, 1965.
  4. Haspelmath, Martin. From space to time: Temporal adverbials in the world’s languages. –Munich & Newcastle: Lincom Europa, 1997. – 181 p.
  5. Jewgenenko, Dmytro, Bilous, Oleksandr u.a. Grammatik der deutschen Sprache. – Winnytsja: Nova Knyha, 2013. – 576 s. 6 Luther, Martin. Briefe Und Aesop Fabeln. – R. Weissbach, 1924. – 24 s.
  6. Müller V. Das große deutsch-ukrainische Wörterbuch mit sichtbaren neuen und alternativen Schreibungen. – Kyjiw: Tschumatzkij Schljach, 2005. – 792 s.
  7. Sick, Bastian. Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. Folge 1. Ein Wegweiser durch den Irrgarten der deutschen Sprache. – Köln: Kiepenheuer und Witsch, 2004 (Folge 2/2005; Folge 3/2006; Folge 4/2009).
  8. Schiller, Friedrich. Demetrius mit Materialien. – Reclam, 1986.
  9. Vischer, Friedrich Theodor. Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen. – 6 Teile, 1846.
  10. Wahrig, Gerhard. Deutsches Wörterbuch. Vollständig neu bearbeitete und aktualisierte Auflage auf der Grundlage der neuen amtlichen Rechtschreibregeln // Neu herausgegeben von Dr. Renate Wahrig-Burfeind. – München: Verlag: Bertelsmann Lexikon, 2001. – 1451 s.

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Philology is the study of language in oral and written historical sources; it is the intersection between textual criticism, literary criticism, history, and linguistics.[

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